Auswertung: Café des Visions – Eine Forschungsreise durch Zugs öffentliche Räume

Café des Visions – eine Forschungsreise durch die öffentlichen Räume in Zug

„Was wünschst du dir für diesen Ort?“ Mit dieser Frage lud die Künstlerin Anna Graber Passanten auf Zugs grossen Plätzen in ihr Café des Visions ein und forderte sie dazu auf, ihre Wünsche und Visionen zur Entwicklung öffentlicher Räume zu formulieren.

Von Lost in Tugium zu Herrliche Zeiten – das Café des Visions schlägt eine Brücke zwischen den beiden Projekten der Stelle für Kultur, die Kunstschaffende dazu einlud, ihrem Gefühl von Fremdsein in der Stadt nachzugehen, mit ihren Arbeiten die Diskussion um die Entwicklung der Stadt in den öffentlichen Raum zu tragen und sie dort mit künstlerischen Mitteln zu führen. Dies ist auch das Hauptanliegen des Projektes Café des Visions, einer mobilen Forschungsstation, die Wünsche und Räume verbindet und das Gespräch über die Gestaltung der öffentlichen Räume und deren Potenzial dorthin trägt, wo das Stadtleben stattfindet. Menschen, die in ihrem Alltag im öffentlichen Raum unterwegs sind, sind Experten für das soziale Potenzial der ausgewählten Standorte. Wie nehmen sie diese wahr, und was wünschen sie sich für sie?

Eine mobile Cafélounge als Forschungsstation

Das Café des Visions besteht aus zehn stapelbaren Lounge-Sesseln und Tischchen, die in einem Fahrradanhänger Platz finden, der gleichzeitig die Bar bildet. Es gastiert an Standorten, an denen Passanten auf ihrem Weg von A nach B vorbeiströmen, ohne diese Plätze richtig wahrzunehmen und sich auf sie einzulassen – öffentliche Plätze, die von ihrer Lage, ihrer Geschichte und von ihrer Gestaltung her das Potenzial hätten, Orte zum Verweilen zu werden.

Wenn das Café des Visions an einem neuen Standort ankommt, kreiert es in kürzester Zeit einen mobilen Dorfplatz – eine Atmosphäre der Gemütlichkeit als Voraussetzung für Begegnungen, Kommunikation und Diskussion über den Platz, entsprechend den von Henry Lefebvre beschriebenen Strategien der Raumaneignung und der Raumproduktion. Die künstlerische Intervention schafft einen Raum, der sich als Stadtatelier, Raumidee und Forum versteht. So stehen an der Bar nebst kleinen Erfrischungen vor allem Skizzenmaterial und Farbe bereit. Cafébesucher sind eingeladen, ihre Wünsche für den Ort zu skizzieren und mit einer weissen, wasserlöslichen Farbe in den Raum einzuschreiben, d. h. auf den Boden zu malen. So entsteht ein Raumtattoo, ein ständig wachsendes Ideennetz, das die Diskussion um das Potenzial des Standortes künstlerisch sichtbar macht. Es ist das Protokoll einer permanenten Debatte, bei der an jedes Statements immer wieder angeknüpft werden kann, auch wenn die Personen, die es formuliert haben, bereits weitergegangen sind.

Mapping Zug

Als wäre sie ein weisser Fleck auf der Landkarte eines eben entdeckten Kontinentes – so  betrachtet das Café des Visions die gebaute und gelebte Stadt und sammelt wie die alten Entdecker Informationen, zeichnet diese auf und kartografiert sie. Gesammelt werden die Gespräche, die entstehen, wenn Passanten spontan in den Sesseln Platz nehmen oder fragen, was es mit dem Café des Visions auf sich hat. Folgende Fragen stellte die Künstlerin Anna Graber ihren Gästen:

Was wünschst du dir für diesen Ort?
Was könnte hier stattfinden?
Was würde diesen Ort so einzigartig machen, dass du hier gerne Zeit verbringen würdest?

Im offenen Gespräch über den Ort – einem Leitfadeninterview nach Flick (1) – werden dessen Geschichte und die Wünsche und Bedürfnisse seiner Nutzer thematisiert. Als Essenz des Gesprächs formulieren die Cafébesucher jeweils einen Wunsch für den Ort, entweder in verbaler Form, mittels Skizzen auf dem Boden oder in direkter gestalterischer Kollaboration mit Anna Graber, wenn sie ihren Wunsch in den Raum einschreiben. Anschliessend fotografiert Anna Graber jeden Wunsch.

Am Ende der Reise zeichnete sie mit all den gesammelten Wünschen die Karte der Stadt Zug neu, wobei die Typographie der Wunschworte die Form der baulichen Strukturen annimmt und diese überlagert. Der Blick auf die Stadt wird so zu einem Gedankenspiel, zu einem riesigen „Was wäre, wenn…?“.

 

Die erste Reise: Die drei grossen Plätze

Gegenstand der ersten Forschungsreise im Juni 2012 waren die drei grossen Zuger Plätze Bundesplatz, Postplatz und Arenaplatz in der Wahrnehmung der Passanten. Welches Entwicklungspotenzial sehen sie an diesen Orten für ihr persönliches Wohlbefinden und für die Plätze als Teil einer lebendigen Stadt?

An der Wunschsammlung im Jahr 2012 beteiligten sich Erwachsene, Kinder und alte Menschen. Sie kamen aus Zug, aus der Umgebung und von weiter weg. Die geäusserten Wünsche nahmen zum Teil direkt Bezug auf ortsspezifische Begebenheiten, zum Teil allgemein auf urbane Phänomene, oder sie sprachen von persönlichen Erfahrungen mit öffentlichen Räumen in Zug und in anderen Städten der Welt.

Im Folgenden werden die Plätze zunächst in ihrem Ist-Zustand beschrieben; darauf werden vordringliche Gestaltungsmöglichkeiten benannt, die den Unort erst zu einem Ort zum Verweilen machen, und in einem weiteren Schritt mögliche, weitere Gestaltungsmöglichkeiten beschrieben, die das Potenzial haben, den Ort einzigartig zu machen.

Bundesplatz

Beobachtungen zum Ist-Zustand
Die Architektur des Bundesplatzes stammt aus dem 20. Jahrhundert. An seinem nördlichen Rand säumen Hecken die Fussgängerstrecke entlang der Schaufenster und des Café Ascot. Am Südrand fliesst der Verkehr. Der asphaltierte Platz wird begrenzt und optisch dominiert durch die Rückseite des Coop-Provisoriums und den grossen Parkplatz. Wer vom Bahnhof zum See spaziert, nimmt vor allem diese beiden wahr.

Der Bundesplatz wird vielseitig und von Passanten aus verschiedenen Bevölkerungsschichten genutzt. Da sie sich Aktivitäten auf dem Platz gewohnt sind, sind sie offen für Austausch. Während das Café des Visions hier zu Gast ist, werden gleichzeitig Velos verliehen, Bratwürste grilliert, es wird um Stimmen geworben, Radio gemacht, und der Beschwerdechor tritt auf. Als am Abend die Geschäfte und die Cafés schliessen, leert sich der Platz rasch. Am Sonntag ist er menschenleer.

Vom Unort zum Ort

Eine Cafébesucherin erzählt, dass hier früher eine Villa stand, umgeben von einem grossen Park mit Blumen. Dieser alte Zustand wird von vielen Passanten mit Gemütlichkeit assoziiert. So betreffen die ersten geäusserten Wünsche die Sehnsucht nach Grün: nach einem romantischen Park mit Rosen, duftenden Blumen, die von Bienen umschwärmt werden, Schatten. Eine zweite Wunschkategorie betrifft das Mobiliar: bequeme Sessel mit Armlehnen wie zu Omas Zeiten und Hängematten, entsprechend dem Phänomen, dass Plätze in den Wünschen oft wie Wohnzimmer möbliert werden. Dahinter steckt das Bedürfnis, sich im öffentlichen Raum wohlzufühlen, durch die Gestaltung des Platzes willkommen geheissen und zum Verweilen eingeladen zu sein. Drei Jugendliche malen eine Gitarre auf den Boden und wünschen sich spontane Konzerte. Jugendliche bilden eine Akteursgruppe, deren Bedürfnisse wenig berücksichtigt werden bei der Gestaltung öffentlicher Räume. In Basel werden in dieser Hinsicht neuen Wege gegangen, indem ein Platz für Jugendliche von Jugendlichen mitgeplant wird.
Das besondere Potenzial des Bundesplatzes
Eine ganze Gruppe der geäusserten Wünsche formuliert das Potenzial, aus dem Bundesplatz einen einzigartigen Ort zu machen, einen Ort, der sich in seiner Gestaltung und Nutzung abhebt von anderen, ein Ort, der bekannt wäre für seine Individualität und der deswegen besucht würde.
So wünscht sich ein englisch sprechender Cafégast ein Open Theatre, ein offenes Amphitheater, in welchem Workshops stattfinden, an denen man spontan teilnehmen kann. Zwei Frauen stören sich an der Fassade des Manor-Gebäudes, das die Sicht auf den See versperrt. Das Unbehagen mit der Architektur des Platzes führt zur Idee einer mehrstöckigen Eisenkonstruktion, ähnlich jener im MFO-Park in Zürich Oerlikon: Von  Kletterpflanzen überwachsen und begehbar, böte sie auf jedem Stockwerk Platz für kleine Urban-Gardening-Beete. Auf der untersten Ebene befänden sich Gartentische, es gäbe Kaffee zum Selbstkostenpreis und Sirup für die Kinder.
„Dass man sich seine Stadt malen kann“, wünscht sich ein Mann, der vorbeiradelt, und drückt damit das Bedürfnis aus, sich kreativ und tätig auf seinen Lebensraum einzulassen und diese Auseinandersetzung sichtbar zu machen. Offenes Denken soll zurückkehren in den öffentlichen Raum.

 

Postplatz

Beobachtungen zum Ist-Zustand
Im Norden steht das neoklassizistische Postgebäude, im Süden das Regierungsgebäude. Vom See her verläuft die grosse Verkehrsachse quer über den Platz und biegt in die Bahnhofstrasse ein. Parallel dazu befindet sich ein grosser Parkplatz. Vom Postgebäude her fliesst Verkehr entlang der Verkehrsinsel ebenfalls zur Bahnhofstrasse. Auch hier gibt es einen Parkplatz; er versperrt die Sicht auf die malerischen Fassaden der alten Häuser und die Zeughausgasse. Passanten bewegen sich so rasch wie möglich über den Platz, stauen sich am Rotlicht oder warten an der Busstation. Von seiner baulichen Struktur her wäre der Postplatz ein grosser innerstädtischer Platz, der Vorplatz zum Regierungsgebäude, die Verbindung zum Landsgemeindeplatz, zum Seeufer. Es existieren Pläne für seine Umgestaltung.

Vom Unort zum Ort
Das Café des Visions steht auf der schmalen Verkehrsinsel bei der Post. Hauptthema der Gespräche ist denn auch der Verkehr. Eine Gruppe von drei Personen malt ein „Asphaltfresserli“ auf die Strasse, ein kleines Fabeltier, das Asphalt frisst – ohne den Strassenbelag müssten sich die Autos einen anderen Weg suchen; eine Grünzone entstünde. In der Zeichnung wachsen von Tieren bewohnte Bäume aus den Sesseln des Café des Visions. Eine andere Cafébesucherin stempelt ihre Handabdrücke auf den Fussgängerstreifen; sinnbildlich gesprochen, möchte sie auf den Händen durch die Stadt gehen können – Fantasie statt Verkehr. Der Wunsch nach Grün wird auf verschiedene Arten formuliert: im Anpflanzen von Wildkräutern, Wildblumen und Bäumen, in denen Vögel singen – eine Stadtoase mit Lounge-Sesseln. Ein Cafégast malt die Wörter „Gurken“, „Tomaten“ und „Rüebli“ in die Parkfelder und verwandelt diese so in Gartenbeete.

Das besondere Potenzial des Postplatzes
„Zugerlis wimmelt hier“, schreibt eine Frau und wünscht sich damit einen lebendigen Platz, auf dem sich Menschen begegnen.  Unterstützt wird dieses Bedürfnis von Wünschen nach Kultur und nach Veranstaltungen auf dem Platz. Eine Illustratorin malt eine „Katzenmusik“, eine Geige, Gitarre und Schlagzeug spielende Katzenband. Eine andere Passantin entwirft eine für Konzerte abdeckbare und damit als Bühne nutzbare Wasserfläche. Ein Kinder-Open-Air-Kino wird genannt, eine Freiluft-Freizeitanlage und ein Christkindlmarkt.

An diesem Ort werden ausserdem spontan zwei komplette Parkkonzepte entworfen. Das Erste stammt von einer Anwohnerin mit türkischen Wurzeln. Sie wünscht sich einen schmiedeeisernen Pavillon, in dessen Mitte sich ein kleiner Brunnen mit frischem Wasser befände. Treppen führten hinauf zum Pavillon und böten Platz, sich hinzusetzen. Umrahmt würde der Pavillon von türkischen Tulpen. Einmal im Jahr fände ein Fest statt, bei dem runde, weisse Lampions in den Bäumen hängen und Schildkröten Kerzen auf ihren Panzern tragen würden.
Das zweite Gestaltungskonzept stammt von einer Musikerin. Sie wünscht sich ein Labyrinth aus Trockenmauern, die als Sitzgelegenheiten dienen würden und von Eidechsen bewohnt und von Flechten und Pflanzen überwachsen wären. Einheimische Wildblumen und Wildkräuter wüchsen im Labyrinth und böten Schmetterlingen und Bienen Nahrung. Es gäbe kein Kunstlicht an diesem Ort, sodass nachts der Mond und der Sternenhimmel sichtbar wären.

 

Arenaplatz

Beobachtungen zum Ist-Zustand
Das Café des Visions ist an drei heissen Tagen im Juni auf dem neu gestalteten Arenaplatz zu Gast, kurz nach dem Eröffnungsfest. Der Platz vor dem Stadioneingang wird von Passanten gemieden. Die einzigen Bewegungen sind entlang des Uptown-Hochhauses bis zur Kinderkrippe und auf dem Trottoir an der General-Guisan-Strasse sichtbar. Hin und wieder wartet jemand an der Busstation.

Vom Unort zum Ort
Am Abend kommt ein Passant ins Café des Visions: „Ich habe mein Büro oben im Uptown und habe den ganzen Tag die auf den Platz gemalte Frage nach den Wünschen für den Ort gelesen. Es gibt nur eines: Ein Bagger muss kommen und den ganzen Asphalt wegreissen.“ „Und dann, was wäre dort anstelle des Asphalts?“ Der Mann schweigt lange. „Dann würde ich hier Gras pflanzen.“
Eine Passantin wünscht sich das die Sessel des Café des Visions hier bleiben und in Bauminseln mit Hochstamm_Kirschbäumen stehen. So käme der Platz auch zum Schatten, der im Sommer zum Verweilen einlädt.
Eine Frau mit Kinderwagen wünscht sich einen Brunnen mit Fontänen wie vor dem Bundeshaus in Bern, damit Kinder hier spielen könnten, und ein kleiner Junge wünscht sich eine grosse Wasserfläche,  auf der er seine Ninjago-Drachenboote fahren lassen könnte.

Das besondere Potenzial des Arenaplatzes
Für ein Beleben und Nutzen des Platzes werden viele Ideen entwickelt: eine WM-Lounge, Märkte und im Sommer ein mobiler Skaterpark anstelle des Eisfeldes unter dem grossen Dach des Stadions.

 

Was wäre, wenn…

Ein Gedankenspiel als Teilfazit der ersten Reise in Form eines fiktiven Dialoges zwischen der Visionärin V und der Hyperrealistin H.
V: „Was wäre, wenn auf dem Arenaplatz Kirschbäume gepflanzt würden, welche die lebendige  Atmosphäre schaffen würden, die sich die Passantin wünscht?“ H: „Das ist unmöglich. Zu den Kirschbäumen gehören Kirschen. Die fallen auf den Asphalt und verrotten dort.“ V: „Lass uns das Was-wäre-wenn weiterdenken: Im Frühjahr tragen die Kirschbäume wunderschöne, duftende Blüten. Und im Sommer, wenn die Früchte reif sind, werden sie gepflückt und gegessen. Was für ein Fest!“ H: „Faulende Früchte im öffentlichen Raum sind unhygienisch. Sie ziehen Wespen an. Das Reinigen käme viel zu teuer.“ V: „Und was wäre, wenn die Menschen, die sich die Kirschbäume wünschen auch die Verantwortung für den Unterhalt übernehmen? Sie hätten die Möglichkeit, ihren Lebensraum mitzugestalten und zu pflegen. Dabei entstehen Dialoge. Der Ort wird belebt. Der Schatten unter den Bäumen lädt zum Verweilen ein. Der Arenaplatz würde zu einem einzigartigen Ort in der Stadt.“
Im Wunsch nach den Kirschbäumen liegt – wenn man den Gedanken des Was-wäre-wenn noch weiter spinnt – auch das Potenzial öffentliche Räume partizipativ zu planen und zu unterhalten und damit für den Lebensraum Stadt neue Formen des Ausgestaltens zu finden. (vgl. Fazit: Park Fiction und Thübinger Südstadt)

 

Die zweite Reise: Die Quartiere

Auf der zweiten Reise im Juni 2014 will das Café des Visions verschiedene Bevölkerungsgruppen in den Quartieren antreffen und deren Perspektiven auf die öffentlichen Räume diskutieren mit dem Ziel, das Mapping weiterzuführen. Das Café verweilt jeweils einen Tag an den ausgesuchten Standorten in den Quartieren Altstadt, Neustadt, St. Michael, Loreto, Guthirt, Herti, Gartenstadt und Grafenau.
Um einen Eindruck von den spontanen Gesprächen zu vermitteln, werden bei den Standorten in der Herti und in der Gartenstadt exemplarisch einige Ausschnitte wiedergegeben.

Herti

Beobachtungen zum Ist-Zustand

Die Fassade des Einkaufszentrums mit dem Restaurant, das den Platz mit seinen Gartentischen nutzt, das Altersheim, das ebenfalls Tische aufgestellt hat, und das Pfarreizentrum St. Johannes umrahmen den Platz im Zentrum der Herti. In dessen Mitte befindet sich ein Brunnen mit einer spiralförmigen Chromstahlplastik von Josef Staub, um den Sitzbänke und Bäume gruppiert sind; der Boden ist mit Kopfsteinpflaster bedeckt.

 

Vom Unort zum Ort

In der Herti sind viele Menschen unterwegs, die gerne im öffentlichen Raum verweilen würden und an Begegnungen interessiert sind. Sie gehören verschiedenen Alters- und Bevölkerungsgruppen an. Die Voraussetzungen für ein reges Quartierleben sind also gegeben. Damit es entstehen kann, braucht es Plätze mit Sitzgelegenheiten, die so positioniert sind, dass sich kleine Gruppen treffen können und Augenkontakt haben, wenn sie miteinander sprechen.

Ein Passant, der bereits Grossvater ist, berichtet, wie die ehemalige Allmend auf dem Gebiet des heutigen Hertiquartiers in Bauland umgezont wurde mit der Auflage, dass in den entstehenden Siedlungen durch den Bau subventionierter Wohnungen, Genossenschafts- und Eigentumswohnungen eine soziale Durchmischung sichergestellt sein müsse. Er spricht vom Weitblick der damaligen Zuger Generation, als die Korporation den Allmendgedanken in die bauliche Gestaltung einer Siedlung übertrug, und wünscht sich für den Ort, dass er zu einem Dorfplatz werde, wo vermehrt auch Fremde mit Einheimischen in Kontakt treten könnten. Eine Passantin liest dies später auf dem Boden und kommentiert: „Das mit den Fremden geht gar nicht, die treffen sich hier und rauchen Hasch.“

„Eigentlich wurde bei der Planung alles richtig gemacht. Es gibt Bäume, Wasser und Sitzgelegenheiten. Und doch lebt der Ort nicht“, analysiert eine Architektin beim

Wochenendeinkauf. Sie wünscht sich Pflanzenkübel mit wilden Rosen entlang der Wände des Pfarreizentrums.
Eine ehemalige Wirtin wünscht sich einen Ort zum „Reden, Reden, Reden“.  Ein Künstler würde die kahlen Wände pimpen. Andere wünschen sich eine Party am Wochenende, mehr Menschen, mehr Sitzgelegenheiten, mehr Schatten oder einen feinen Belag für Rollstühle.

„Zug hat ganz andere Probleme: überteuerte Wohnungen“, sagt hingegen ein Mann, der in der Cafélounge wartet, während seine Partnerin Hamburger holt, „die Gestaltung der öffentlichen Räume interessiert niemanden. Schon gar nicht die Politiker.“ Dieses Statement hat zur Folge, dass zwei benachbarte Gruppen die Sessel zu einem Kreis gruppieren und bis zum Einbruch der Dunkelheit diskutieren, welche Themen in Zug anstehen. Mit in der Runde sitzt Zugs Stadtentwicklerin Regula Kaiser.

 

Das besondere Potenzial des Platzes in der Herti
Eine Gruppe von Kindern wünscht sich eine Wasserrutschbahn vom Kirchendach bis in den Brunnen, die Möglichkeit, einmal wöchentlich eine Wasserschlacht zu veranstalten, einen Fussballplatz mit Toren, kurz: Platz für Aktivitäten und Bewegung. Später dann beginnen die Kinder, auf den Lounge-Sesseln zu trommeln. So entsteht assoziativ der Wunsch nach einem Musikgarten, einem Klang-Spiel-Platz mit Baumstämmen als Instrumenten, auf dem Menschen spontan miteinander musizieren.

Dieser Musikgarten hat das Potenzial, dem Ort Einzigartigkeit zu verleihen. In einer Parklandschaft stünden skulpturale Musikinstrumente und Klangkörper, die es zu erforschen gälte. Menschen könnten sich experimentierend und musizierend begegnen. Das Kommunikationsangebot ist in der Gestaltung des Raumes angelegt.
„Junge mehr machen lassen“, lautet der Wunsch einer Passantin. Temporäre Aktionen können den Raum nach Ladenschluss beleben.

 

 

Gartenstadt

Beobachtungen zum Ist-Zustand
Im Quartier mit dem malerischen Namen Gartenstadt lässt sich kaum ein Platz finden, der gross genug ist für das Café des Visions. Das Quartierleben findet hinter den Zäunen im Privaten statt. Der Wendeplatz an der Aabachstrasse ist mit zwei Bänken möbliert, Büsche schaffen zwei Nischen. Gegenüber liegt ein Band von Parkplätzen, dahinter die Siedlung.

 

Vom Unort zum Ort
Das Quartier braucht einen Dorfplatz, wo sich die Bewohner treffen können. Da die Gartenstadt von vielen Familien bewohnt wird, sollte der neue Dorfplatz sowohl den Bedürfnissen von Erwachsenen als auch denen von Kindern gerecht werden. Der folgende Abschnitt zeigt, wie dies aussehen könnte.

 

Das besondere Potenzial des Wendeplatzes an der Aabachstrasse
Das Wetter ist leicht bewölkt, nur wenige Menschen sind unterwegs. Zwei neunjährige Buben fragen, ob sie Platz nehmen dürfen. Sie formulieren gemeinsam einen Wunsch: zwei Fussballtore. Denn auf der Wiese in ihrer Siedlung sei es verboten, Fussball zu spielen; sie sei zu klein. Ein Tor soll dem Team von Côte d‘Ivoire gehören, das andere Holland. Die Kinder wollen – wie an der  Weltmeisterschaft – mit ihren Freunden als ihre Lieblingsteams gegeneinander antreten. Sie malen an beiden Enden des Platzes ein Tor und verwandeln diesen so in einen Fussballplatz. Ein Junge geht wieder. Der zweite, Emre, spinnt seine Idee weiter. „Das Fussballfeld sollte umsäumt sein von den Flaggen aller Nationen, die an der Weltmeisterschaft teilnehmen. Einen Kiosk sollte es hier geben oder noch besser einen Volg, der neben Lebensmitteln auch Fussballsachen verkauft und auch ein Café hat. Ein WC für Damen braucht es und eines für Herren. Aber es ist ja nicht möglich, das alles zu bauen, weil hier Parkplätze sind, auf denen Autos stehen.“ Und schon ist der nächste Gedanke da: „Eine unterirdische Garage bietet den Autos die Parkgelegenheiten, die sie brauchen, und macht den Platz frei.“ Also weiter mit der Fussballidee: „Zuschauer brauchen bequeme Sitzplätze, am besten Sofas, einen Brunnen, um sich zu erfrischen, und für ein Treffen nach dem Match eine Grillstelle mit drei verschiedenen Grills: einen für Vegetarier, einen für Leute, die kein Schweinefleisch essen, und einen dritten für alles. Ein Kunstrasen gehört dazu, damit auch bei schlechtem Wetter gespielt werden kann.“

Emres nächste Gedanken gelten Menschen, die nicht gerne Fussball spielen. Für sie brauche es einen Ort, um Tee zu trinken und zu diskutieren, einen Teich, einen Garten, in  dem 1001 verschiedene Pflanzen wachsen, und für alte Menschen einen Ruheplatz mit Rosen. Nach einer Nachdenkpause meint der Junge, der Platz brauche noch etwas ganz Besonderes, etwas, was es nirgendwo sonst gibt: ein Wohnwagenmuseum. Es soll Waffen ausstellen, denn Emre möchte Polizist werden, wenn er erwachsen ist. Seine weiteren Wünsche betreffen das soziale Klima: keine Gewalt, nicht rauchen und auf dem Sportplatz Fairplay. Emre malt gut drei Stunden lang immer neue Ideen. Dazwischen kommen und gehen andere Kinder und Erwachsene und formulieren ebenfalls Wünsche. Emre bleibt und entwickelt rund um seinen Wunsch nach einem Fussballplatz ein Konzept für ein Quartierzentrum, das die Bedürfnisse aller Generationen berücksichtigt und erst noch Elemente enthält, die es zu einem einzigartigen Ort machen. Wo sich Kinder wohlfühlen, begegnen sich Erwachsene.
Viadukt

Beobachtungen zum Ist-Zustand
Der Weg von der Neustadtpassage zum Bundesplatz führt unter einem Bogen des Eisenbahnviaduktes hindurch zur Rückseite des Hauses an der Poststrasse mit der Bäckerei und durch einen weiteren Durchgang zum Trottoir der Poststrasse. Der Viaduktbogen ist aus Natursteinen gemauert und bildet einen gedeckten Raum, der als Durchgang genutzt wird. Passanten schlendern allein oder in kleinen Grüppchen vorbei. Nach Ladenschluss ist der Ort verlassen.

Vom Unort zum Ort
Der erste Cafégast wünscht sich mehr Klänge – der kleine, gedeckte Raum eigne sich ausgezeichnet für Musik und Klangperformances und -installationen. Eine Tapasbar im Sommer oder ein Stehcafé, das von der Bäckerei unterhalten wird, wären denkbar. Die alten Steine des Bogens geben dem Miniraum eine Weinkeller-Atmosphäre, die für gemütliches Zusammensein genutzt werden kann.

Das besondere Potenzial des Bogens im Viadukt
Jugendliche wünschen sich Poster an den Wänden und einen Kiosk. Sie möblieren damit den Raum und machen ihn für sich gemütlich. Eine Frau, die in einem der Nachbarhäuser arbeitet, wünscht sich bequeme Sessel, um Pausen im Freien zu verbringen.
Ausserdem wird eine Kulturbeiz gewünscht, weil es in der Neustadt nur sehr wenige kulturelle Angebote gebe. In Zürich oder in Lausanne sind „unter den Bögen“ Bars und kleine Kulturorte entstanden, die zur Aufwertung der jeweiligen Quartiere beigetragen haben. Inzwischen werden sie  von einer zweiten Generation von Betreibern geführt –  die Gründer können sich die Mieten nicht mehr leisten. Zug hat die Möglichkeit, den attraktiven Raum für wechselnde Nutzungen offen zu halten.

Ein Junge, der mit seinen Grosseltern unterwegs ist, wünscht sich hier Wasser und Steine, auf denen man von einem zum nächsten hüpfen kann. Dahinter steckt der Wunsch nach körperlicher Aktivität in einer ansprechenden Umgebung. Ein Planungsexperte würde ihm erklären, dass in diesem Teil des Quartiers keine Erholungszone vorgesehen ist. Im Café des Visions haben die Kinder indes immer als Erstes einen Spielplatz gezeichnet. Kleine Nischen oder Inseln, die so gestaltet sind, dass sie Kindern freie Bewegungen ermöglichen, lassen sich an vielen Plätzen bauen und gleichzeitig als Sitzgelegenheiten für Erwachsene nutzen. Der holländische Architekt Aldo Van Eyck gestaltete bereits in den Fünfzigerjahren solcherart kombinierte kleine Orte zum Verweilen.

 

Alpenquai

Beobachtungen zum Ist-Zustand
An dem heissen Junisonntag sind viele Passanten am See unterwegs. Menschen aller Altersgruppen und Bevölkerungsschichten flanieren längs des Seeufers hin und her. Zu anderen Bewegungen lädt der Raum nicht ein. Die Sitzbänke sind so angeordnet, dass das wunderbare Seepanorama bestaunt werden kann. Wer sich dort niedersetzt, sitzt neben seinen Bekannten; kontemplatives Schweigen wird dadurch gefördert. Wer seinen Gesprächspartnern in die Augen schauen will, kann dies nur im Gehen tun.

Vom Unort zum Ort
Am Seeufer ist Littering ein Thema. Die Cafébesucher malen Abfalleimer und Aschenbecher auf den Boden, und es werden Leitsätze formuliert, die einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Erholungsraum festlegen: Alle nutzen den Raum, niemandem gehört er.
Mehrere junge Erwachsene formulieren Wünsche zum Thema Integration: „More integration between indigenous and international communities.“ „Kein Rassismus“ steht am Ende des Nachmittags in fünf Sprachen auf dem Boden, einmal sogar auf Arabisch.
Eine weitere Gruppe von Wünschen betrifft das Bedürfnis nach Bewegung: Ringe zum Hangeln, ein Trampolin für Kinder mit einem Café für die wartenden Erwachsenen, eine Slackline, Steine im See, auf denen man vom einen zum nächsten hüpfen kann, und ein Wunderspielplatz für Kinder. Die Kinder wünschen sich neue Spielplätze, nicht konventionelle Spielgeräte, die nur eine Art von Bewegung zulassen (vgl. Wünsche für St. Michael).

Das besondere Potenzial des Alpenquais
Die einzigartige Lage am See bietet sich an für musikalische Aktivitäten: Wassermusik, Open-Air-Konzerte, ein Pavillon für spontane Konzerte lokaler Musiker; genannt wird beispielsweise Beatboxen. Ein „Grillenkonzert“ für ein verkehrsfreies Zug wird gewünscht und „Der Zugerberg soll endlich aufgeräumt werden“, so der ironische Kommentar eines Malers, der auf den optischen Wildwuchs der Bebauung anspielt und stattdessen übereinander getürmte Kuben auf den Boden malt. Der Camping Brüggli „söll bliibe“, er bringe Menschen nach Zug, die für eine Durchmischung der Stadt wertvoll seien.

 

Loreto, Platz vor der Freizeitanlage

Beobachtungen zum Ist-Zustand
Auf dem kleinen, mit Pflastersteinen belegten Vorplatz vor der Treppe zur Freizeitanlage und zum Schulareal spenden hohe Pappeln Schatten. Viele Menschen sind in sichtlicher Vorfreude auf dem Weg zur Freizeitanlage. Auf dem Trottoir sind nur wenige Passanten unterwegs: Mütter mit Kinderwagen, einzelne Erwachsene.

Vom Unort zum Ort
Die Menschen, die an diesem Ort unterwegs sind, sind kreativ. Sie würden den Aussenraum gerne beleben und sich dort treffen. Eine Quartierbewohnerin wünscht sich einen kleinen Quartierladen mit einem Café, in dem sie sich beim Einkaufen auf einen Kaffee mit anderen treffen kann. Ihre beiden Töchter malen einen Glacé- und einen Granita-Stand auf den Asphalt. Besucher der Freizeitanlage wünschen sich einen Tisch, Bänke, einen Grill und Hängematten.

Das besondere Potenzial des Platzes vor der Freizeitanlage
Die Menschen, die an diesem Ort unterwegs sind, sind besonders kreativ. Sie würden den Aussenraum gerne beleben und sich dort treffen. Das Spektrum der geäusserten Wünsche ist breit: Holzskulpturen, bunte Kieselsteine in den Rillen zwischen den Pflastersteinen, ein drei Stockwerke hohes Graffiti an der Hauswand, Laternen, die abends in den Bäumen leuchten und so dem Ort eine einzigartige Stimmung verleihen. Eine junge Frau wünscht sich ein Treppenpiano, wie sie es einmal bei einer Rolltreppe in London gesehen hat. Zwei Jugendliche möchten gerne hier draussen mit Freunden zusammensitzen können; sie wünschen sich einen „Jöggelikasten“.

 

Stadtpark St. Michael

Beobachtungen zum Ist-Zustand
Vor dem ehemaligen Kasernengebäude, das heute die Kantonsbibliothek beherbergt, erstrecken sich ein grosses Wiesenrechteck und ein rechteckiger Teich inmitten einer asphaltierten Fläche. An Gartentischen sitzen Gruppen von Studierenden; sie sind in Bücher vertieft oder sprechen leise miteinander. Stufen führen zum neuen Holzpavillon mit dem auskragenden, Schatten spendenden Dach unter dem bewegliche Metallsessel gruppiert sind. In den Sesseln nehmen nur vereinzelte Passanten Platz. Ein Grossvater kommt mit seinem Enkel hierher zum Rollschuhlaufen, wie er dies schon als Kind getan hat; eine Spielgruppe verbringt ihre Pause auf dem Kiesplatz unter dem Dach des Pavillons.

Vom Unort zum Ort
Der Ort wird geschätzt als eine Oase der Ruhe. Dringend gewünscht wird jedoch Trinkwasser. Ausserdem wird beanstandet, dass der Asphaltgürtel die Naturwiese vom Pavillon abtrennt und die einzelnen Elemente des Parks isoliert erscheinen. Ein Bodenbelag aus Kies oder Pflastersteinen würde eine optische Einheit herstellen.

„Es liegt an den Menschen, wenn ein Ort lebt“, formuliert ein Student sein Fazit. Eine Mitarbeiterin der Bibliothek folgert: „Natur gibt Atmosphäre.“

Das besondere Potenzial des Stadtparks St. Michael
Ein Anwohner, der auf einem Spaziergang seine Katze sucht, wünscht sich für die Altstadt eine Kulturmeile, die vom Kunsthaus bis zum Stadtpark geht. Andere Cafégäste formulieren seinen Wunsch weiter aus: Auch sie sehen den Platz mit dem Pavillon als idealen Kulturort. Gewünscht werden eine Serenade, Poesielesungen, Experimentalfilm-Vorführungen lokaler Kunstschaffender und Konzerte.

Intensiv wird auch über Spielplätze diskutiert – sie seien rar in Zug, und in St. Michael bestehe ein hoher Bedarf. Als vorbildlich wird der Spielplatz bei der Pädagogischen Hochschule beschrieben: Er ermögliche Kindern den Kontakt mit den Elementen Erde, Wasser, Holz und Stein und damit Sinneserfahrungen, welche die Voraussetzung für eine ganzheitliche Entwicklung bilden. Die Bewegungsangebote seien offen, sodass die Fantasie der Kinder herausgefordert werde. Herkömmliche Spielgeräte wie Schaukeln sind nur für eine Bewegungsart konzipiert, d. h., die Kinder sind unterfordert und langweilen sich rasch.

Eine Nachbarin wünscht sich für den Platz ein Kneipp-Fussbad, das Sinnlichkeit und Geselligkeit verbindet. Ein Anwohner möchte, dass der Pavillon geöffnet wird, und wünscht sich eine alte italienische Espressomaschine, die allen zur Verfügung steht.


Schwanengasse

Wunderschöne alte Fassaden rahmen den Platz mit dem Brunnen und dem Kopfsteinpflaster ein. Die verwinkelten Gassen laden zum Flanieren ein. Ausser der mittelalterlichen Kulisse der Häuser gibt es hier allerdings wenig zu entdecken. Es sind nur wenige Menschen unterwegs.

Vom Unort zum Ort
Eine lebendige Altstadt wünschen sich die Cafégäste: echte Begegnungen, Fantasie, Bereicherung, Flair. Eine Anwohnerin schlägt „Kuchen, Lavendeleis und Blümchen“ vor und meint damit eine Atmosphäre der Gemütlichkeit; sie möchte sich draussen hinsetzen, Kaffee trinken und andere treffen können. Eine Künstlerin wünscht sich schmiedeeiserne Bänke rund um die Bäume, Blumenkisten und Vogelskulpturen. So würde sie sich zum Verweilen eingeladen fühlen. Ein Altstadtbewohner macht sich Gedanken dazu, wie das Leben in den mittelalterlichen Gassen ausgesehen haben mag, und beschreibt, wie Schuld und Sühne am Pranger öffentlich zur Schau gestellt wurden. Für die heutige Stadt wünscht er sich „Platz für Schwarze, Weisse und Bunte“, ein Stadtleben, das Menschen aus allen Gesellschaftsschichten offenstehe.

Das besondere Potenzial des Platzes in der Schwanengasse
Dass die Kunst aus den Häusern kommt und die Stadt belebt, wünscht sich eine Frau, die mit einer Gruppe von Freunden unterwegs ist; dies, erklärt sie, würde eine lebendige Atmosphäre und Dialoge schaffen. Eine verkehrsfreie Altstadt wird dreimal gewünscht von verschiedenen Gruppen, die kurz beim Café des Visions haltmachen.
Vorplatz GIBZ, Guthirt

Beobachtungen zum Ist-Zustand
Der grosse Vorplatz der GIBZ unterbricht den monotonen Rhythmus der geschlossenen Fassaden der„Strassensiedlung“ im Guthirtquartier. Die Betonfassade des Berufsschulgebäudes, das hohe Nachbarhaus und die stark befahrene Strasse umgrenzen ihn. Der Platz ist mit einem gerillten Kunststeinbelag bedeckt. Es sind sehr wenige Passanten zu sehen. Asphalt und Beton sind von der Junisonne aufgeheizt.

Vom Unort zum Ort
Zwei Teenagerinnen wünschen sich eine Lounge, umgeben von Pflanzen. Ihr Wunsch wird von anderen Passanten weiter ausgeführt: Auch im Schulhaus brauche es bequeme Sitzgelegenheiten mit Lehnen, im Aussenraum einen Teich mit einheimischen Tieren und Pflanzen, gewundene Wege, Liegestühle, einen Brunnen und eine dicke Eiche. Der Schatten, den der Baum spendet, würde das Verweilen an diesem Ort begünstigen.

Das besondere Potenzial des Platzes vor der GIBZ

Eine Lehrerin wünscht sich einen Ort der Meditation mit leiser Musik, ein Arbeitskollege „mehr ehrliches Rebellentum“. Auch ein Maibaum und Maientanz werden hierherfantasiert – eine Metapher für altes Dorfleben, das hier auf neue, zeitgemässe Art wieder stattfinden könnte. Weniger Bewilligungen und damit mehr Freiraum für Eigeninitiativen wünscht sich ein Passant, der unterwegs ist, um für seine Arbeitskollegen Glacés zu kaufen, denn während der Fussball-WM würde er hier gerne Grillabende organisieren.
Grafenau
Beobachtungen zum Ist-Zustand
Inmitten der hufeisenförmigen Siedlung, die mit mehrstöckigen Häusern und weissen Fassaden wie aus einem Guss wirkt und deren Boden mit Rasenstücken und Asphalt bedeckt ist, steht eine riesige Eiche in einem Rondell aus hellem Beton. Die Mauer des Rondells dient als Sitzgelegenheit im Schatten des Baumes. Vom Bahnhof her und aus dem Nordtrakt kommen immer wieder Passanten. Einige setzen sich auf die Mauer unter der Eiche. Der riesige alte Baum wird von den Anwohnern sehr geschätzt und in fast allen Gesprächen als Besonderheit des Ortes erwähnt. Sie begrüsse den Baum jeden Morgen, erzählt eine Anwohnerin.

Vom Unort zum Ort
Ruhe versus Stadtleben – an keinem Standort wird die Diskussion so vehement geführt wie in der Grafenau. Bewohner aus dem Haus an der Südseite treten als Besitzer des Raumes auf und fordern „Ruhe, Ruhe, Ruhe“. Sie vergleichen das Café des Visions mit einer „Chilbi“; es ist sichtlich nicht erwünscht. Am meisten Anstoss erregt die Bar im Nordgebäude, die Tische um das Baumrondell aufgestellt hat: Ihre Betreiber sollen sich an die Nachtruhe halten.
Für Passanten ist indes nicht ersichtlich, dass sie sich in der Grafenau auf privatem Grund befinden. Eine Deklaration, beispielsweise ein Schild, würde dies klären und helfen, den Konflikt, der im Raum ausgetragen wird, zu entschärfen.
Das Potenzial des Platzes in der Grafenau
Gewünscht werden ein Schachspiel auf dem Boden, mehr Bäume, Urban Gardening rund um die Eiche, ein Begegnungsort fröhlicher Menschen. Licht- und Klanginstallationen könnten hier temporär mit dem Raum und den Menschen interagieren. „Hier wäre so vieles möglich …“,  meint ein Mitarbeiter der Bar.

 

Potenziale des Wünschens: Fazit
In der Stadt Zug wird die Diskussion um die Nutzung der öffentlichen Räume mit Engagement und einem hohen Bewusstsein für die Fragestellungen geführt. Insgesamt wurden 383 Wünsche geäussert. Sie ergeben ein mosaikartiges Bild des Entwicklungspotenzials aus der Sicht der Stadtbewohner/innen. Es ist poetisch, verspielt, humorvoll, aktiv und gleichzeitig konsensorientiert. Wer sich auf einem Platz ein spontanes Konzert wünscht, ist sich bewusst, dass andere gerade die Ruhe an diesem Ort schätzen. Diese Haltung ermöglicht es, das bestehende Nutzungsspektrum einerseits durch temporäre Aktivitäten und andererseits durch mobile und dauerhafte Raumgestaltungen, die den dringenden Bedürfnissen der Nutzer und Nutzerinnen gerecht werden, auszuweiten. Dementsprechend formuliert die 2012 im Projekt Freiraum Zug erarbeitete Charta zur Nutzung öffentlicher Räume basisdemokratisch ausgehandelte Übereinkünfte, was wo wann stattfinden kann. Die Charta bildet die Grundlage für ein Weiterentwickeln der Aufenthaltsqualität in den öffentlichen Räumen. Die Bevölkerung ist sensibilisiert. Dem Niveau der Diskussionen werden die öffentlichen Plätze in ihrem Ist-Zustand allerdings nicht gerecht. An vielen Orten befinden sich Parkplätze, wo belebte innerstädtische Plätze sein könnten.

In den Gesprächen im Café des Visions nahmen Cafégäste Fragestellungen auf, die sich auch im Diskurs der Stadtsoziologie, der Psychologie und der Philosophie finden.
Die Idee des Musikgartens oder der Gemüsebeete auf den Parkplätzen entstand durch offenes Denken. Nach Mihaly Csíkszentmihályi (2) steht sogenanntes divergierendes Denken am Anfang jedes kreativen Prozesses – im Alltag wie auch bei der von ihm untersuchten „grossen Kreativität“, die zu relevanten Erfindungen in allen wissenschaftlichen Feldern führt. Während konvergierendes Denken die Fähigkeit, klar umrissene Probleme zu lösen, meint, führt divergierendes Denken, auf der anderen Seite, „zu keinerlei anerkannten Antworten. Dazu gehört Flüssigkeit oder die Fähigkeit, eine grosse Anzahl von Ideen zu entwickeln, ferner Flexibilität oder die Fähigkeit, wechselnde Perspektiven einzunehmen, und schliesslich Originalität im Sinne ungewöhnlicher Ideenverknüpfungen.“ (S.92) Kreative Menschen zeichnen sich durch die Gabe aus, konvergierendes und divergierendes Denken situationsabhängig effektiv zu nutzen. Csíkszentmihályi untersuchte, wie herausragende Wissenschaftler und Kunstschaffende, unter ihnen auch Nobelpreisträger, ihren kreativen Prozess beschreiben, und erkannte fünf Phasen, die bei allen vorkamen:

In der Vorbereitungsphase beschäftigt man sich bewusst oder unbewusst mit mehreren problematischen Fragen, weil sie das Interesse oder die Neugier wecken. In der Inkubationsphase wird das Problem von allen Seiten untersucht. Dabei hat das unbewusste Assoziieren den oben beschriebenen Stellenwert. Der Moment der Einsicht oder das berühmte Aha-Erlebnis bildet die nächste Phase. Darauf folgt die Phase des Bewertens, die Frage nach der Relevanz der neuen Einsicht. Sie ist die aufwühlendste Phase, begleitet von Selbstkritik und Gewissensprüfung und oft auch von Reibungen mit den Denkstrukturen des Feldes. Die Phase der Ausarbeitung schliesslich dauert am längsten und erfordert die grösste Anstrengung.

Das Café des Visions verbindet Wünsche und Räume. In der Frage nach einem Wunsch für einen Ort liegt die Einladung, gewohnte Sichtweisen zu verlassen und offen zu denken. Das kleine, spontane Forum, das in der Herti entstand, hat seine Wurzeln in der griechischen Agora als Ort der Debatte, an dem niemand für eine divergierende Meinung zur Rechenschaft gezogen werden durfte. Der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas beschreibt bereits 1962 in „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (3)  ein Verschwinden der bürgerlichen Öffentlichkeit im Sinne eines demokratischen kritischen Gegengewichtes zu Regierung und Wirtschaft.

Betrachtet man die Etymologie des Wortes Wunsch, findet man darin eine erstaunliche Kraft. Die indogermanisch Wurzel des Wortes heisst „uen“ und bedeutet „streben, wünschen, lieben“ , so die Gebrüder Grimm in ihrem Deutschen Wörterbuch.  Die mittelalterliche Bedeutung des Wortes beinhaltet „eine gestaltende mächtigkeit über personen und dinge auszuüben und vollkommenes und auszerordentliches an ihnen zu wirken“. (4)

Auf der Reise durch Zug stiess das Café des Visions an jedem seiner Standorte auf soziales Potenzial. Stadtbewohner sind Experten für das Stadtleben; ihr Wissen kann für die Planung öffentlicher Räume nutzbar gemacht werden, besonders in der ersten Planungsphase, in der das offene Denken entscheidend ist. In den weiteren Planungsphasen ist Expertenwissen dann unabdingbar. In Kooperation mit Nutzern kann es auf verschiedene Weisen einfliessen: bottom up wie beim Kunstprojekt Park Fiction in Hamburg und top down wie bei der Planung des Stadtteils Tübinger Südstadt (siehe unten). Transdisziplinäre Planungsteams sind in der Lage, neue Wege zu gehen und mit der Methode der Partizipation lebendige Räume zu entwickeln. Auch die Cafégäste wandten offenes Denken für die Raumgestaltung an und machten es manchmal sogar zum Kernanliegen, indem sie sich wünschten, ihre Stadt zu malen oder auf den Händen über den Fussgängerstreifen gehen zu können, aber auch, indem sie Ad-hoc-Ideen für Gestaltungskonzepte entwarfen.

Auch die Begegnung mit dem Fremden wird in der Stadtsoziologie thematisiert. „Die urbane Stadt ist ein Ort, wo verschiedene Lebensweisen, Anschauungen und Kulturen nebeneinander existieren können und zugleich in produktiven Austausch zueinander treten“, schreibt Walter Siebel (5); ihm ist die Konfrontation mit dem Fremden wichtig. Denn durch seine Andersartigkeit stellt der Fremde kulturelle Selbstverständlichkeiten infrage. Selbst wenn Stadtbewohner/innen dessen Andersartigkeit nicht billigen oder sich sogar von ihr abgestossen fühlen, entwickeln sie ihm gegenüber, da sie immer wieder damit konfrontiert werden, eine resignative Toleranz. Csíkszentmihályi wiederum fand in Städten, die Schnittstellen verschiedener Kulturen bilden, grosses Innovationspotenzial. Dies zeigte sich auch im Café des Visions: An verschiedenen Standorten fand eine Diskussion um die Begegnung mit dem Fremden statt. In der Herti wurde sie als Weiterführung des Allmendgedankens gewünscht und auch kritisch hinterfragt. Am See wünschten sich „Fremde“ –  junge Engländerinnen und Männer aus Nordafrika und dem Nahen Osten – mehr Integration. Für die Altstadt wurde eine Stadtleben gewünscht, zu dem „Schwarze, Weisse und Bunte“ Zugang haben.

Cafégäste auf dem Vorplatz der GIBZ und auf dem Arenaplatz veranschaulichten mit ihren Wünschen die Sehnsucht danach, den „human scale“ in die Stadt zurückzuholen, und zeigen damit, dass sie diese Orte ähnlich wahrnehmen, wie es Jean Gehl in seiner Kritik an der Bauweise der Moderne formuliert (6). Gehl beschreibt den Verlust des menschlichen Massstabs in den Städten. Hätte man das Leben zwischen den Häusern willentlich zerstören wollen, so hätte man dies nicht konsequenter tun können, als es die Architektur der Moderne tat: geschlossene Betonfassaden, eine Trennung der Funktionen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen, ein Kanalisieren des Verkehrs. Fussgänger bewegen sich in unwirtlichen Schluchten zwischen dem Verkehr auf der einen und überdimensionierten monotonen Betonwänden auf der anderen Seite. Die Passanten vor der GIBZ und auf dem Arenaplatz wünschen sich Pflanzen und Sitzgelegenheiten, damit sie wieder an diesen Orten verweilen und anderen Menschen begegnen können.

Ein anderes Phänomen der Moderne ist in der Altstadt zu beobachten: Zwar ist sie kleinteilig, d. h. im menschlichen Massstab gebaut, und lädt zum Schlendern und Entdecken ihrer Gassen ein, doch führten Prozesse wie Gentrifizierung und Disneyfizierung zu einer Verkümmerung des Stadtlebens. Ihre Angebote richten sich heute an „dynamische, urbane, kaufkräftige Dreissigjährige“.  Über die Kaufkraft wird gesteuert, dass sich nur „erwünschte“ Personen in der Innenstadt aufhalten. Die für eine lebendige Stadt unerlässliche Diversität verschwindet. Disneyfizierung wiederum meint, dass die geschichtsträchtigen Fassaden ausgehöhlt und auf die Funktion als Kulisse einer kommerziellen Inszenierung reduziert werden. So trifft der Wunsch nach Platz für „Schwarze, Weisse und Bunte“ den Kern der Thematik: Menschen aller Gesellschaftsschichten sollen Zugang zum Stadtleben haben. Wünsche nach Fantasie, Bereicherung und Flair sprechen von einer in der Altstadt latent vorhandenen Sehnsucht nach richtigen Begegnungen und Klatsch und Tratsch. Als Vorschläge, wie dies erreicht werden könnte, wurden beispielsweise „Lavendeleis und Blümchen“ genannt, also kleine, verspielte, individuelle Initiativen.

Aus den oben genannten sozialen Ansprüchen lassen sich Ansprüche an die Gestaltung öffentlicher Plätze ableiten. Die von Habermas totgesagte Öffentlichkeit braucht neue Treffpunkte. Dazu eignen sich Orte, die nicht kommerziell orientiert sind, denn wenn das Gefälle zwischen Kunden und Dienstleistenden wegfällt, begegnen sich Menschen auf Augenhöhe. Die Verantwortung für den Ort liegt dann bei allen.

Gelungene Beispiele kooperativer Planung finden sich im Kunst- wie auch im Architekturkontext. Park Fiction heisst ein Park am Hamburger Elbufer, der ganz von und mit den Anwohnern gestaltet wurde und der auch zehn Jahre nach seiner Eröffnung von Quartierleuten unterhalten wird. Die Park-Idee entstand 1994, als sich Anwohner, die  gegen eine geplante Überbauung Widerstand leisteten, mit den beiden Kunstschaffenden Cathy Skene und Christoph Schäfer zusammenschlossen. In über zehnjährigem Tauziehen mit den Behörden und nicht zuletzt durch den öffentlichen Druck, den die Präsentation der Park-Fiction-Idee an der Documenta 11 erzeugte, wurde die Realisation erstritten und der Park in Zusammenarbeit mit Fachplanern verwirklicht. Die Palmeninsel oder der fliegende Teppich – eine gewellte Rasenfläche, die von einem Alhambra-Mosaikmuster umrahmt wird – sind zu Wahrzeichen des Parks und der partizipativen Planung geworden.

Diesem Bottom-up-Weg der Kunst steht das Leuchtturmprojekt der partizipativen Top-down-Planung in der Architektur gegenüber: beispielsweise die Tübinger Südstadt, die mit mehreren Architekturpreisen ausgezeichnet wurde. Sie entstand auf dem Areal immenser Kasernenflächen, die nach dem Abzug der Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg an zentraler Lage frei wurden. Die Stadt konnte sie günstig erwerben und in sogenannte städtebauliche Entwicklungsbereiche umwandeln. Tübingen setzte sich für deren Entwicklung sehr hohe, insbesondere auch soziale Ziele, die aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge über konventionelle Projektentwicklungsverfahren nicht erreichbar gewesen wären. Deshalb schuf die Stadt ein neues und partizipatives Verfahren für private Baugemeinschaften und vergab die einzelnen Grundstücke weit unter Marktpreis nur an Personen, die bereit waren, im Rahmen eines partizipativen Gesamtprozesses Projekte zu entwickeln, die ein sehr hoher gesellschaftlicher Nutz- und Mehrwert auszeichnete. Sie mussten auf privater Initiative basieren, Gewerbe- oder Handel-/Verkaufsmöglichkeiten beinhalten und einen konkreten Beitrag zur Lebensqualität und Vielfalt des Quartiers leisten. In mehreren von der Stadt moderierten Projektbörsen wurden die besten Projekte ausgewählt und miteinander verknüpft.

Heute ist das Quartier ein bunter Mix aus Alt- und Neubauten, Wohnungen und Kleingewerbe, aber auch mit vielen sozialen und kulturellen Einrichtungen. Es bildet einen lebendigen, urbanen Stadtorganismus, wie er bis vor ein paar Jahren als nicht planbar galt. Durch Partizipation als Grundprinzip aller Planungsprozesse konnten hier neue Massstäbe gesetzt werden.

 

Dringende kleine Wünsche

Die meistgenannten Wünsche der Cafégäste – Schatten, Pflanzen und Sitzgelegenheiten, die ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht möglich machen – bewegen sich in einem Rahmen, der nur geringe Kosten verursacht, und sind mit wenig Aufwand erfüllbar. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Die Menschen möchten von den öffentlichen Räumen zum Verweilen eingeladen werden. Viele Cafégäste schlugen Gestaltungselemente vor, mit denen sie es sich wie im Privaten gemütlich machen könnten. Solche Orte fördern auch die Kommunikation; die Voraussetzung dazu bilden bewegliche Sitzgelegenheiten, die Augenkontakt während eines Gesprächs und eine flexible Gruppengrösse zulassen, sodass die Anwesenden in angenehmer Kontaktdistanz miteinander sprechen können. Die klassischen Bänke genügen diesen Bedürfnissen nicht.

Innovative Wünsche
Weiterführende Wünsche haben das Potenzial, öffentlichen Räumen ein einzigartiges, individuelles Gesicht zu geben: der Klangspielplatz, Poesielesungen, das Kneipp-Fussbad, die alte Espressomaschine für alle oder der türkische Pavillon, eine Kulturbeiz für die Neustadt, Lavendeleis für die Altstadt, ein Dorfplatz für die Gartenstadt oder ein Treppenpiano für Loreto. Stadtbewohner und Passanten erhalten so eine echte Wahl, wo sie sich aufhalten wollen.

Das Café des Visions wünscht jedem Quartier einen Dorfplatz, der von den Quartierbewohnern gestaltet, unterhalten und bei Bedarf adaptiert wird. Dieser partizipative Zugang garantiert, dass der Platz den spezifischen Bedürfnissen gerecht wird, seien diese bedingt durch die geografische Lage des Quartiers, die bestehende Infrastruktur oder die kulturelle Zusammensetzung. Damit lässt sich der viel geäusserte Wunsch nach spontanen Begegnungen erfüllen. Wer jemanden treffen möchte, begibt sich auf den Dorfplatz. Wer dort alleine sein will, kann das Treiben beobachten. Jan Gehl beschreibt diese passive Teilnahme am Stadtleben als wichtige Aktivität gerade für alleinstehende, ältere Menschen.

Die auf der Reise durch Zug gesammelten Wünsche lassen sich auf der Wunschkarte der Stadt Zug verorten. Die Karte lädt ein, sich die Stadt als ein grosses Was-wäre-wenn vorzustellen und sie – vielleicht auf einem nächsten Spaziergang – mit einem eigenen Wunsch zu ergänzen.

 

(1) Uwe Flick: Qualitative Sozialforschung. Reinbek bei Hamburg, 2007

(2) Mihaly Csikszentmihalyi: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Stuttgart, 1996

(3) Jürgen Habermas: Strukturwandel im der Öffentlichkeit. Frankfurt am Main, 1990

(4) Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, (Band 30, Sp 2014), online

1998—2011 by Trier Center for Digital Humanities / Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier http://www.dwb.uni-trier.de/

(5) Walter Siebel: „Die Stadt und die Fremden“ in Uwe Lewitzky: Kunst für alle? Bielefeld, 2005. S. 28

(6) Jan Gehl: Leben zwischen den Häusern, Berlin 2012

 

 

 

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